Die Evolution des Mountainbikes...

In den 70er Jahren bretterte eine kleine Gruppe ehemaliger Rennradfarer und hobbysportliche Hippies regelmässig die Fireroads des kalifornischen Mount Tamalpais runter. Dazu verwendeten sie Schwinn Cruiser, die sie auf den umliegenden Schrotthalden zusammensuchten und umbauten. Die meisten dieser Bikes hatten damals noch Rücktrittbremsen, die bei diesen Downhills dermassen heiss wurden, dass das Fett rausdampfte. Weil diese deshalb andauernd eine neue Fettpackung brauchten, nannten sie die Rennen "Repack-Race"

 

Dummerweise hielt das Material den Belastungen nie lange stand und musste ständig ersetzt werden. In dieser Zeit entstanden in Garagen und Hinterhöfen speziell angefertigte Bikerahmen, die für die hohen Belastungen ausgelegt waren.

 

Als erster baute Joe Breeze 1978 für Gary Fisher und Charlie Kelly eine Kleinserie von 9 Stück. Doch er war dermassen langsam, dass Fisher und Kelly danach mit Tom Ritchey zusammenarbeiteten. Die Bikes nannten sie „Mountainbike“ und der Name war geboren. Fast gleichzeitig schweisste u.A. auch der erfahrene Dirt Track Racer Mert Lawwill (klick) Bikerahmen, 1979 etwa 75 Stück, Ritchey etwa 40 und insgesamt waren es um die 200.

 

Ein Jahr später waren die Zahlen immer noch konstant, ausser, dass Tom Ritchey nun gut 200 Stück produzierte (klick) und so 1980 insgesamt ca. 300 Bikes entstanden.

 

Die Jahresproduktion von Mountainbikes sieht wie folgt aus:

1978 -> 9 Stk.

1979 -> 200 Stk.

1980 -> 300 Stk.

1981 -> 2000 Stk.

1982 -> 5000 Stk.

1983 -> 50'000 Stk.

 

Der Sprung 1981 ist neben neuen Kleinproduzenten wie Sweetheart Cycles (klick) und die erneute Produktionserhöhung von Tom Ritchey auf sagenhafte gut 400 Stück, auch auf das erste Serienmountainbike von Specialized (klick) zurückzuführen, das Mike Sinyard komplett in Japan fertigen liess. Er kaufte von Tom Ritchey drei verschieden grosse Rahmen und lies diese 1:1 kopieren. Er bestellte insgesamt 500 Stück. Das war damals ein sehr mutiger Schritt! Ein Specialized Stumpjumper Serienbike kostete nur noch halb so viel wie ein Ritchey. So wurde dieser neue Sport auf Anhieb auch für weniger gut betuchte erschwinglich.

 

Langsam aber sicher hörte man auch an der Ostküste dass in Kalifornien eine neue Sportart entstand. 1982 begann der Rennradschweisser Chris Chance in Sommerville seine ersten Mountainbikes zu bauen. Die Marke FAT Chance war geboren. Im ersten Jahr baute er lediglich 21 Stück (klick). Erst als er dann 1983 von Löten auf Schweissen umstieg und seine Rahmen an einer Bikemesse präsentierte, schossen die Produktionszahlen in die Höhe (klick). Die Bikes hatten eine typische East-Coast-Geometrie mit kurzen Kettenstreben und steilem Lenkwinkel für maximale Wendigkeit in den verblockten Singletrails des Bike-Mekkas der Studentenhochburg Sommerville.

 

1986 tüftelten zwei Schweisser von Chris Chance mit Titaniumrohren herum dabei entstand eine homöopathische Stückzahl an Protoypen. Der hohe Aufwand und Preis machte Stahlliebhaber Chance nicht glücklich und er verwarf die Idee von Titanrahmen. Nicht jedoch die beiden Schweisser! Diese gründeten 1987 auf der anderen Strassenseite Merlin Metalworks und produzierten um Geld zu kriegen erstmal eine 200er Serie Titanrahmen für Marin (klick).

 

Neben Stahl und Titanium war natürlich auch Aluminium schon sehr früh ein Thema. Gary Klein Begann Mitte der 70er Jahre Aluminiumrohre zu verschweissen und produzierte so leichte und steife Rennradrahmen (klick).

 

Ein Tüftler und Erfinder Namens Charlie Cunningham, der mit seiner Frau Jacquie Phelan in einer Waldhütte lebte war sehr angetan von dieser Idee und schweisste bereits um 1979 den ersten Mountainbike Aluminiumrahmen. Diese waren extrem rar und heute fast nicht zu finden.

 

Klein baute mit dem Mountainklein 1985 dann den ersten Aluminiumrahmen, den man als normaler Konsument auch wirklich kaufen konnte (klick).

 

Etwas später brachte Klein 1990 mit dem Attitude (klick) ein Wahnsinnsbike auf den Markt, das bis ins letzte Detail auf Starrgabel optimiert war. Diese Konsequenz, die exklusiven Lackierungen und der Untergang 1996 haben bis heute viele Fans zur Folge.

 

Kleins ewiger „günstigerer“ Konkurrent Cannondale ging einen ähnlichen Weg der Systemintegration, jedoch mit einer eigenen Federgabel, die 1992 alle anderen in den Schatten stellte (klick).

 

1986 entwickelte Brent Trimble in Auftrag von Kestrel den ersten Fahrradrahmen aus Faserverbundwerkstoff in Monocoquebauweise. Das Kestrel 4000 (klick). Es war komplett aerodynamisch optimiert und revolutionierte das bisherige Bild eines Rennrades.

 

1988 baute Trimble eine Serie von 8 Mountainbikerahmen in seinem eigenen Design (klick). Diese waren jedoch zu flexy und das Design wurde für die Serie optimiert (klick). Natürlich baute nun auch Kestrel mit dem MXZ einen Mountainbikerahmen der ebenfalls 1989 in Serie ging (klick). Verbundwerkstoffe boten natürlich die Möglichkeit die Formgebung frei zu bestimmen und dies wurde zu beginn auch rege genutzt! Erst mit dem CSX baute Kestrel 1990 sozusagen den optimalen Carbonrahmen (klick), der kaum von einem heutigen zu unterscheiden ist.

 

Zu diesem Zeitpunkt hielt auch die Federgabel mit der RockShox1 Einzug. Sie arbeitete mit Öl/Luft und bot ein Zoll Federweg.

 

Damit war die Basis für die heutigen Bikes geschaffen und seither wurde im XC-Sport nur noch verfeinert – leichter – steifer – schneller – grösser!

 

... grösser?

 

Ja genau! …gegen Ende des 20. Jahrhunderts erinnerte sich Gary Fisher, dass die 26“ Laufräder ja eigentlich nur an den Bikes waren, weil es damals nur für diese Radgrösse dicke Reifen gab. Man nahm halt was da war. Wes Williams, Gary Fisher und ein paar Customrahmenbauer waren der Meinung das grösser evtl. besser wäre und liessen ein paar Mountainbikereifen für 28“ Rennradfelgen produzieren – sie waren begeistert und Gary Fisher brachte 2002 sein Topmodell mit 29“ Laufrädern raus (klick). Die grossen Räder brauchten jedoch beinahe 10 Jahre um den Durchbruch zu schaffen und dann zogen auch grosse Hersteller wie Cannondale nach (klick)

 

Für die Skeptiker und kleineren Leute hat man nun ein ganz altes Laufradmass wieder ausgegraben, das mehr so bei Tourenrädern (klick) zum Einsatz kam – 650B – dies ist ziemlich genau zwischen 26 und 29 Zoll und könnte 26“ selten werden lassen. 2012 Hatt Nino Schurter damit den Weltmeistertitel geholt, nachdem er bereits olympisches Silber gewonnen hat.

 

Natürlich entwickelten sich auch die Bremsen weiter. Ab 1992 produzierte Florian Wiessmann die Wie-Brake, die bereits 1988 in ähnlicher Bauweise am Prototypen-Fully von Kestrel zu sehen war und die 1995 von Shimano als V-Brake lanciert wurde. Sie löste die davor standardmässigen Cantilever Bremsen ab. U-Brakes sah man eher selten und wenn, dann meist hinten (klick). Die Rollercam Bremsen (klick) wurden von Charlie Cunningham (WTB) entwickelt und auch von Suntour in Lizenz gebaut. Die sind von der Funktion und Druckpunkt her top, jedoch eher für Kalifornisches Wüstenklima, als für Schlammige, mitteleuropäische Trails. Scheibenbremsen tauchten schon sehr früh auf (klick), konnten sich jedoch aufgrund des hohen Gewichts, der bescheidener Bremspower oder hohen Anfälligkeit nicht durchsetzen. Erst ab der Jahrtausendwende waren sie ausgereift und brauchbar (klick). Sie sind bis heute stand der Technik und halten seit 2013 auch bei den Rennrädern Einzug (klick) und (klick).

 

Antriebstechnisch blieb die vom Rennvelo übernommene Kettenschaltung bis heute Standard. Das niedrige Gewicht ist im Rennsport in den meisten Fällen wichtiger als geringer Verschleiss und Wartungsaufwand. Trotzdem entwickelten sich durchaus Nischenprodukte mit Potential!

 

So stellte Bernhard Rohloff 1997 auf der Eurobike die Speedhub 500/14 Nabenschaltung vor, die mit 14 Gängen 100% Mountainbiketauglich ist. Wegen ihrem leichten Übergewicht, blieb sie bis heute ein Nischenprodukt (klick).

 

Um 2008 produzierte der Amerikanische Zahnriemenhersteller Gates erstmals einen brauchbaren Zahnriemen für Fahrräder. Als Singlespeed (klick) oder mit Getriebeschaltung (Rohloff) ergab sich damit ein beinahe wartungsfreier Antriebsstrang (klick).

 

2011 Stellen zwei deutsche Getriebespezialisten von Porsche das Pinion Getriebe vor. Dies sind 18 Gänge zentral beim Tretlager unten optimal platziert. Bei bergab orientierten Mountainbikes mit viel Federweg ist dies die kompromissloseste Lösung einer unanfälligen Schaltung (klick).